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Besuch: April 2015
Burg Lindau ist eine Fluchtburg aus dem 9./10. Jahrhundert. Besonders im 30igjährigen Krieg diente die Anlage als Zuflucht für die Bevölkerung.
Erhalten ist die Kernburg mit einem abgetragenem Bergfried und Teile der Vorburg mit einem Aussenwall.
Die Hauptburg wurde hauptsächlich aus Ziegeln errichtet. Toranlage und Vorburg bestehen aus Bruch- und Feldsteinen mit Ziegeln. Auf dem Aussenwall standen wahrscheinlich Holzpalisaden.
Der Schalenturm in der Burg Lindau kann als "freie" Rekonstruktion betrachtet werden. Endweder war es ein gemauerter Schalenturm mit Holzkrone oder ein komplett gemauerter Turm mit Schiessscharten. So hat er jedenfalls nicht ausgesehen.
Schalentürme waren eine kostengünstige Befestigung, da sie nur "halb" gebaut wurden. Fortifikatorisch boten sie die Möglichkeit, von hinten in den eroberten Turm zu schiessen und so den eingebrochenen Gegner abzuweisen.
Die Kernburg ist leider nicht frei zugänglich. Am Haupttor versperrt ein Gitter den Zugang.
Der Bergfried, durch das Eingangsgitter fotografiert.
Eigentlich war der Turm viel höher. Ein Kegeldach und die heutigen Zinnen hatte er nicht. Wahrscheinlich ist aber ein Turmwächter in Kriegszeiten, der bei Bedrohungen zum "Alarm" blies.
Lindauer Bewohner, Bauern der Umgebung - alles floh in die Burg.
Zumindest gegen marodierende Söldner im 30ig-jährigen Krieg war man damals sicher. Zumindest da der Unterschied zwischen Freund und Feind zur damaligen Zeit nicht vorhanden war.
Von der Vorburg sind ein Schalenturm, Reste eines Gebäudes und Teile der Wallanlage erhalten. Das Gelände wirkt sehr gepflegt, die Gebäudereste sind in einem gutem Zustand.
Der Schalenturm ist auf jeden Fall falsch/kostenoptimiert rekonstruiert. Niemand würde versuchen, aus solch riesigen Fenstern zu schiessen.
An der Umfassungsmauer befand sich zumindest ein einfacher, hölzerner Wehrgang. Nur dadurch waren Angreifer in der Fläche durch Steine, kochendes Wasser und andere Mittel zu bekämpfen.
Ein Ausfalltor an der Burg ist theoretisch möglich. Die Form der Aussenmauer ist komletter Unsinn! Um Bogen, Armbrust oder Wasserkanne mit kochendem Wasser auf die Verteidiger loszulassen, benötigte man Zinnen. Bauwerke, aus derem Schutz heraus die Verteidiger handeln konnten.
Eine glatte Maueroberkannte ist hier mal wieder kompletter Unsinn.
Ob man als Bauer, Stadtbürger oder sonstwer einen echten Infanterieausfall gegen kampferprobte Söldner auch nur versucht, finde ich zweifelhaft.
Ein Teil der Ringmauer wurde restauriert, um einen Eindruck vom früheren Aussehen zu geben. Der Rest der wurde in einem erhaltensgerechtem Zustand gesichert.
Selbst der nur teilrestaurierte Burgwall vermittelt die Wehrhaftigkeit der Anlage. Die kriegerische Bedeutung der Anlage war unbedeutend. Aber um solch eine Anlage zu belagern, zu berennen, Verluste unter den eigenen Truppen ... .
Entweder im Sturm genommen oder links liegen lassen ... .
Da im 30igjährigem Krieg in den Truppen und ihrem Troß Hunger ein ständiger Begleiter war, lag die Hemmschwelle, eine Fluchtburg mit "Tieren und Nahrung" zu berennen, vermutlich niedrig. Die exponierte Lage der Burg Lindau und ihre Ziegelmauer boten keinen Schutz gegen eine ernsthafte Belagerung. Dem Beschuss aus Feldgeschützen dürfte die Mauer aber einige Zeit standgehalten haben.
Für Ortschaften im 30ig-jährigen Krieg gab es meist nur zwei Optionen. Die Reparationen zahlen und auf dem Vorbeimarsch zu hoffen oder sich zu wehren. Falls das Alarmsystem der Bevölkerung funktionierte und man in die Befestigung flüchten konnte, standen die Changen gut.
Wer wollte solch eine mächtige Burganlage berennen oder belagern, wegen ein paar Bauern und deren Vieh. Wahrscheinlich war das Vorfeld und der Anstieg zur Burg mit Pfählen aus Holz verstärkt, was jeden Sturmangriff oder eine Eroberung im "Vorbeigehen" zumindest erschwert hat.
(Landsknechte im 30ig-Jährigen Krieg haben oft befestigte Stützpunkte von Bauern und Bürgern in einem Akt des Hungers angegriffen. Rasende Kampfeswut gegen Zivilisten. Die Folgen sind dokumentiert.)
Das obige Foto zeigt die Ausmaße der Burganlage. Damit lässt sich erkennen, dass zur Verteidigung viele Menschen notwendig waren.
Innerhalb des Hauptwalls suchte die Bevölkerung mit ihrer Habe und dem Vieh Schutz. Fluchtburgen wie Lindau boten zwar keinen Schutz gegen eine ernsthafte Belagerung, konnten sich aber zumindest gegen marodierende Soldaten wehren. Der Erdwall ist noch gut erhalten, lässt sich aber ebenerdig nicht gut fotografieren.
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